Schule im Blickpunkt 2/2024-2025
Vorwort von Sebastian Kölsch, Vorsitzender des Landeselternbeirates
Die Bildungsreform ist Realität.
Noch bevor die Änderung des Schulgesetzes den Landtag passiert hat und die entsprechenden Verwaltungsvorschriften – also die „Gebrauchsanleitung“ dessen, was gilt – vorliegen, haben ca. 97.000 Viertklass-Kinder die neue zentrale Arbeit geschrieben: Kompass 4. Viele Eltern erinnern sich an ihre eigene Schulzeit und die damals üblichen Orientierungsarbeiten. „No big deal“ also?
Teils, teils. Wachsweich wurde seit Mai die künftige Grundschulempfehlung als „verbindlicher“ verklausuliert. Und das Wort Grundschulempfehlung wurde in der Umsetzung gleich ganz ausgemerzt und mit dem chicken Begriff „NAVi 4 BW“ versehen. De facto ist die Empfehlung auch keine mehr, sondern in letzter Konsequenz bei nicht bestandenem „Potenzialtest“ eine verbindliche Schulartzuweisung, zumindest das Ticket aufs Gymnasium betreffend. Dass damit das hehre Versprechen des kooperativen Miteinanders in Bildungs- und Erziehungsfragen unserer Kinder ausgehebelt wurde, scheint den Koalitions- Fraktionen herzlich egal gewesen zu sein.
Es hat nicht lange gedauert, da kam die nächste Forderung nach einem „Rad zurückdrehen“ um die Ecke: Ein Volksantrag fordert nun auch die verbindliche Empfehlung für Realschulen. Als ob 1988 angerufen hätte und seine vermeintlich heile Welt zurückhaben wollte. Unser Mantra, dass Information und Aufklärung immer einer regulierten Bevormundung vorzuziehen sind; die Binsenweisheit, dass die Bevölkerung Baden-Württembergs nicht mehr so aussieht wie Ende des letzten Jahrtausends; der Hinweis, dass nicht die Elternentscheidung, sondern die Attraktivität des Schulsystems die wichtigste Stellschraube für eine gesündere Schülerverteilung auf die Schularten darstellt
– all das verhallt nahezu ungehört im lauten Politikbetrieb des Bildungs-Aktionismus‘.
Dabei könnte es so einfach sein: Alle Beteiligten müssen weg von der nominellen Betrachtung, welche Schulart angeblich gut oder vermeintlich weniger gut ist.
Wir müssen deutlich machen, dass die beste Schule für unsere Kinder jene ist, an der sie zum jeweils aktuellen Zeitpunkt die beste Förderung erhalten und motivierende Erfolgserlebnisse erfahren.
Die Kultusverwaltung sollte mit Baden-Württembergs größtem Schulpfund wuchern: der Durchlässigkeit und den zahlreichen Chancen, auch Spätstartern jeden Bildungsweg zu eröffnen, ohne sie jahrelang zu überfordern und dadurch zu entmutigen.
Sind wir auf dem richtigen Weg? Wer weiß das schon. Nachprüfbar wird es erst in vielen Jahren sein, wenn die Pisas, IQBs und Veras dieser Welt irgendwann Neuntklasskinder testen, die in den „Genuss“ der Auswirkungen dieser Bildungsreform gekommen sind. Bis dahin bleibt allen Akteuren nur eine Option:
Machen wir das Beste draus.
Forderungen zu erheben, Verbesserungen anzumahnen oder den Finger in die ein oder andere Wunde zu legen, sollte jedenfalls zu jedem Zeitpunkt nur einem Motto folgen:
Für unsere Kinder.
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